Immer diese fünf Minuten

 

 

 

Wieviel Geduld haben Sie? Gehören Sie zu den Menschen, die sich an der Kasse lautstark räuspern oder etwa mit den Füssen scharren, wie ein Pferd vor dem Start, weil Sie Ihren Vordermann in der Warteschlange am liebsten fünf Zentimeter nach vorne schieben würden, damit die riesige Lücke wieder geschlossen wird? Ärgern Sie sich, weil selbstverständlich bei Ihrer Kasse die Rolle gewechselt werden muss und Sie – wie könnte es anders sein – sowieso die langsamste Schlange erwischt haben?

 

Oder drücken Sie kräftig auf die Hupe und rufen gar zum Fenster raus «grüner wird’s nicht!», weil der Autofahrer vor Ihnen nicht anfährt und die Barriere deshalb gleich vor Ihrer Nase runter geht? Schon wieder fünf Minuten warten! Dabei war man doch eh schon spät dran. Selbstverständlich weiss man, dass man früher aus dem Haus gehen könnte, aber geniessen Sie nicht auch die bewussten fünf Minuten am Morgen im Bett, wenn man eigentlich schon aufstehen sollte?

 

Gewisse Menschen warten und warten und haben eine Engelsgeduld. Warum ist das so? Sind diese Menschen gleichgültig, ist ihnen alles egal, geraten sie darum nicht so schnell aus der Fassung? Haben die Geduldigen einen langsameren Lebensrhythmus, denken sie langsamer oder brauchen sie einfach für alles etwas länger und vergessen sich sogar aufzuregen? Oder schlafen diese Menschen nicht gerne, stehen bereits um fünf Uhr auf und haben darum alle Zeit der Welt?

 

Ungeduld hat viele negative Auswirkungen. Man ist gestresst, schwitzt, hat einen hohen Puls und fühlt sich immer getrieben. In manchen Fällen kann es sogar zum Burnout führen. Das Hirn läuft auf Hochtouren und stellt stets die Kosten-Nutzen-Analyse. Was bringt mir diese Warterei, respektive was verpasse ich? Es ruft, jetzt könnte ich bereits das oder jenes tun oder jetzt komme ich zu spät. Es ruft nach Ablenkung, Belohnung, Spass. Ist das die Lösung, sollen wir das Hirn ablenken?

 

Genau, das Hirn löst gerne Probleme, also lenken wir es ab! Wenn Sie im Stau stehen, könnten Sie sich überlegen, welche Lebensmittel Sie noch zu Hause haben und was Sie daraus zubereiten könnten. Dann hätten Sie vielleicht diese fünf Minuten wieder eingeholt? Oder, wie wäre es mit Belohnung? Womit könnte ich mich aufheitern, wenn ich diese Warterei überlebt habe? Zwei Kugeln Eis? Oder, wenn Sie an der Kasse anstehen, stellen Sie sich etwas Schönes vor. Einen Sandstrand, eine Schifffahrt, einen kühlen Drink? Glauben Sie mir, wenn Sie so vertieft in der Schlange stehen, weil Sie bereits in den nächsten Ferien schwelgen, werden Sie wahrscheinlich gestupft, weil Sie vergessen haben aufzuschliessen. Sie können die Warterei auch als etwas Positives sehen, sie entschleunigt im wahrsten Sinn des Wortes.

 

Genau liebe Leser, das ist es! Morgen früh stelle ich den Wecker fünf Minuten früher – na ja, vielleicht bleibe ich dann zweimal fünf Minuten länger liegen – man muss ja nicht gleich hetzen.

 

Gabi Doggweiler